Seminar „Flugunfälle mit Kleinflugzeugen“

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Am Samstag, den 15.07.2023 fand in Kirchdorf a. Inn ein besonderer Ausbildungsnachmittag zum Thema Flugunfälle statt, welcher von der Kreisbrandinspektion Rottal-Inn unter Federführung von Kreisbrandmeister Felix Menzinger organisiert worden ist. Ziel der vom Landkreis Rottal-Inn finanzierten Ausbildungseinheit war, das einsatztaktisch richtige Vorgehen sowie die besonderen Gefahren bei Flugunfällen mit Kleinflugzeugen kennen zu lernen. Hierfür versammelten sich ca. 60 Führungskräfte von Feuerwehren aus dem Landkreis Rottal-Inn und dem benachbarten Bezirk Braunau (Oberösterreich), vom Technischen Hilfswerk, vom Bayerischen Roten Kreuz sowie von der Polizei.

Als Dozent für die Ausbildung konnte Hans Rachl, Luftfahrtsachverständiger aus Chieming (Lkr. Traunstein) gewonnen werden, welcher auch als Beauftragter der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) tätig ist und bereits an der Untersuchung von über 1.200 Flugunfällen beteiligt war.

In einem kurzweiligen theoretischen Teil, welcher im Unterrichtsraum des Kirchdorfer Feuerwehrhauses abgehalten wurde, brachte der Vortragende den Teilnehmenden die Einteilung von Luftfahrzeugen, die verschiedenen Konstruktionsgruppen sowie unterschiedliche Bauweisen und Antriebstechniken näher und ging außerdem auf die Besonderheiten der Kraftstoff- und Stromversorgung, die Fluginstrumente sowie besonders auf die vorhandenen Sicherheitssysteme wie Gurtrückhaltesysteme und pyrotechnisch angetriebene Gesamtrettungssysteme ein. Letztgenannter Punkt stellte hierbei den Schwerpunkt dar.

Flugunfall 1Ultraleichtflugzeuge, welche in Deutschland mit „D-Mxxx“ („M“ für „microlight“) gekennzeichnet werden, verfügen über ein integriertes Rettungssystem. Mittels einer pyrotechnisch angetriebenen Rakete wird in einem Sekundenbruchteil mit hoher Geschwindigkeit ein zusammengefalteter Fallschirm aus dem Flugzeug geschossen, welcher sich dann in der Luft entfaltet (bis zu ca. 150 m² Fläche). Das Flugzeug gleitet anschließend samt Besatzung zu Boden. Wenn das Gesamtrettungssystem bereits durch den Piloten erfolgreich ausgelöst worden ist und somit das Ultraleichtflugzeug zu Boden gesunken ist, bestehen für die Rettungskräfte keine Gefahren mehr durch die bereits abgefeuerte pyrotechnische Treibladung. Falls das Rettungssystem vor einem Absturz nicht ausgelöst worden ist, ist die Treibladung der Rakete noch scharf, wodurch eine Gefährdung der Einsatzkräfte durch beabsichtigtes oder unbeabsichtigtes Auslösen gegeben ist. In diesem Fall ist ein für die Einsatzkräfte oft unbewusst hohes Gefahrenpotential vorhanden. Eine Sicherung des Rettungssystems ist laut Rachl möglich, setzt jedoch voraus, dass die Einsatzkräfte das System verstehen und die möglichen Gefahren richtig einschätzen können. Er sensibilisierte die Anwesenden hinsichtlich dieser Gefahren und stellte heraus, dass keine Angst bei den Einsatzkräften vorhanden sein soll, aber mit dem nötigen Respekt agiert werden muss.

Hans Rachl zog in seinem Vortrag immer wieder Vergleiche mit Verkehrsunfällen mit Pkw, welche den anwesenden Einsatzkräften geläufiger sind und relativierte dadurch gewisse Sachverhalte. Durch seinen umfangreichen Erfahrungsschatz erläuterte Rachl anhand realer Flugzeugabstürze das einsatztaktisch richtige und sichere Vorgehen der Einsatzkräfte. Außerdem ging er auf die Schnittstellen zwischen Rettungsdiensten, Feuerwehren und den ermittelnden Stellen, wie die Polizei und die BFU ein.Flugunfall 3

Die zweite Hälfte der Ausbildung fand auf dem Gelände des Kirchdorfer Flugplatzes statt. Dort konnten die Teilnehmenden, dank der Unterstützung des Fliegerclubs Kirchdorf a. Inn, zwei Ultraleichtflugzeuge besichtigen. So konnte beispielsweise die Lage des Treibstoffhahns, welcher in der Fliegerei auch Brandhahn oder „Fuel-Shutoff-Valve“ genannt wird, die Position des Hauptschalters oder „Masterswitch“ und die Auslöseeinrichtung für das pyrotechnisch angetriebene Gesamtrettungssystem sowie deren Austrittsöffnung aus dem Flugzeugrumpf erkundet werden. Diese Möglichkeit wurde dankend angenommen, da die Position des mechanischen Auslösegriffs des Rettungssystems, der Sitz des Raketenmotors sowie die Austrittsöffnung der Rakete bei unterschiedlichen Luftfahrzeugtypen an verschiedenen Stellen zu finden ist.

Anschließend erfolgte durch die Feuerwehr Kirchdorf a. Inn eine Einsatzübung an einem Flugzeugwrack, welches Hans Rachl extra mit nach Kirchdorf a. Inn gebracht hatte. Schwerpunkt der Übung war neben der Rettung der Insassen das Absichern der Einsatzstelle sowie das Kennzeichnen der möglichen Ausschussrichtung des Gesamtrettungssystems und Freihalten des potentiellen Gefahrenbereiches, das Sichern des mechanischen Auslösegriffs des Gesamtrettungssystems vor unbeabsichtigter Auslösung, das Sicherstellen des Brandschutzes sowie das Stabilisieren des verunfallten Luftfahrzeuges. Durch diese weitere Praxiseinheit und der anschließenden Nachbesprechung konnte das in der Theorie erlernte praxisnah umgesetzt und gefestigt werden.

Die erlernte Theorie wurde in die Praxis umgesetzt: Einsatzübung an einem Flugzeugwrack mit Rettung der Besatzung (Foto: Silvia Färber)Um die Gefährlichkeit des pyrotechnisch angetriebenen Rettungssystems zu verdeutlichten, hatte Rachl eine scharfe Rakete mit dabei, welche gegen Ende der Veranstaltung vom 1. Bürgermeister der Gemeinde Kirchdorf a. Inn, Johann Springer, gezündet wurde. Durch das gezielte Abfeuern des Gesamtrettungssystems konnte allen Anwesenden die potentielle Gefahr einprägsam vermittelt werden.

Alle Teilnehmenden waren sich nach der Veranstaltung einig, dass sie durch die durchgeführte praxisnahe Ausbildung einiges für die künftige sichere Einsatzabarbeitung bei Flugunfällen mit Kleinflugzeugen lernen konnten, um solche Einsätze künftig noch besser abarbeiten zu können. Gleichzeitig wünschten sich jedoch alle, dass das Erlernte hoffentlich nicht bei einem Ernstfall angewandt werden muss.

Hans Rachl resümierte: „Das Flugzeug ist das sicherste Verkehrsmittel. Allerdings ist es erfahrungsgemäß nicht eine Frage, ob es in eurem Einsatzgebiet zu einem Unfall mit einem Kleinflugzeug kommen wird, sondern nur eine Frage, wann dieser Fall eintreten wird. Jetzt seid ihr jedoch für etwaige Einsätze noch besser vorbereitet.“

Kreisbrandinspektor Helmut Niederhauser und Kreisbrandmeister Felix Menzinger bedankten sich abschießend beim Dozenten Hans Rachl für die Abhaltung der besonderen Ausbildung im Landkreis Rottal-Inn sowie bei Josef Schlehaider, Vorstand des Fliegerclubs Kirchdorf a. Inn, für die offene Zusammenarbeit sowie die Ermöglichung der Ausbildung im Bereich des Flugplatzes und überreichten als Zeichen des Dankes beiden ein kleines Präsent. Ein weiterer Dank erging an alle Teilnehmenden für das gezeigte Interesse sowie besonders an die Aktiven der Feuerwehr Kirchdorf a. Inn für die Vorbereitung des Unterrichtsraumes im Feuerwehrhaus, die Bereitstellung der Getränke und die Durchführung der Einsatzübung in vollständiger Schutzausrüstung bei hochsommerlichen Temperaturen.

(Fotos: Silvia Färber und Kreisbrandinspektion)

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